Spielfilm von Nuri Bilge Ceylan, mit Deniz Celiloğlu (Samet), Merve Dizdar (Nuray), Musab Ekici (Kenan) Ece Bağcı (Sevim) u.a.
Türkei 2023, DCP, Türk/d, 197’, ab 16 Jahren
Widerwillig absolviert der Lehrer Samet seine Pflichtjahre in einem abgelegenen Dorf in Anatolien. Er kann der kargen Provinz wenig abgewinnen und hofft auf baldige Versetzung. Samets Lage wird ungemütlich, als sich eine Schülerin über ihn beschwert; gleichzeitig lernt er die engagierte Lehrerin Nuray kennen, die auch seinen Freund Kenan in Bann zieht.
Nuri Bilge Ceylans («Winter Sleep») Epos über die Fallstricke menschlicher Beziehungen ist bildgewaltig und überzeugt mit ausgefeilten Dialogen. Er entwickelt das komplexe Porträt eines frustrierten Mannes, der seine Ideale aufgegeben hat und mitunter selbstzerstörerisch handelt – und dem man mal mit Sympathie, mal mit Befremden zuschaut. Der genauen Charakterstudie fehlt es nicht an Verspieltheit, so durchbrechen die Handlung etwa mehrmals überraschende visuelle und dramaturgische Verfremdungseffekte, die zum Nachdenken anregen.
«Der Film bringt vieles von dem wieder zum Blühen, was die vorherigen Filme Ceylans so grossartig machte. Die Lakonie der Landschaften, kontrastiert zu elaborierten, wilden, sehr theoretischen Dialogen über den Sinn des eigenen Lebens und die eigene Haltung.» (Sennhausers Filmblog, 19.5.23). Erhitzt diskutiert Samet etwa mit Nuray (Merve Dizdar), die früher politisch aktiv war und ihn in seiner passiv-resignierten Weltanschauung hinterfragt. Diese komplexe und eigenwillige Figur bildet das Gegengewicht zur im Film dominanten männlichen Perspektive. An den Internationalen Filmfestspielen von Cannes wurde Merve Dizdar 2023 für ihre Rolle mit dem Preis für die Beste Schauspielerin ausgezeichnet.